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Vorstand: Arbela Statovci

Arbela Statovci ist Teamleiterin und Kadermitglied beim unabhängigen Finanzdienstleister smzh, Swiss Management Zürich. Sie hat einen Master in Business Administration HWZ und studiert an der Universität Zürich nebenberuflich Osteuropäische Gesichte und Philosophie.

Eine unsichere Covid-Lage, Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise, eine Teuerung von 3.5% – Unternehmerinnen und Unternehmer müssen stets neue Herausforderungen meistern. Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Gesamtlage – in Wallisellen, wo Sie sich politisch engagieren, und gesamtschweizerisch? Trotz einer sich abkühlenden Konjunktur und einer steigenden Rezessionsgefahr präsentiert sich die Schweizer Wirtschaft erstaunlich robust. Sollte es aber zu einem Energieengpass in Europa kommen, so würde dies auch die Schweiz spüren. Die aktuellen Konjunkturprognosen erwarten eine deutliche Abschwächung, das Wachstum soll von 2.0% (2022) auf 1.1% (2023) sinken. Obschon die Schweizer Wirtschaft auf ein positives erstes Halbjahr 2022 zurückblickt, haben sich die Aussichten also verschlechtert. Und es ist davon auszugehen, dass die Talsohle noch nicht erreicht ist. Leider wird sich auch meine Wohngemeinde Wallisellen dieser wirtschaftlichen Gesamtsituation nicht entziehen können.

 Wallisellen ist ein typischer Vorort von Zürich, hat rund 17’000 Einwohner und 15’000 Pendler, die in Wallisellen arbeiten. Wie kann man einen Wirtschaftsstandort wie Wallisellen entwickeln? Wallisellen ist aufgrund der zentralen Lage, aber auch der Nähe zur Stadt Zürich hervorragend positioniert. Und mit der Anbindung an den öffentlichen Verkehr wie der Glatttalbahn wurden rechtzeitig Investitionen in einen attraktiven Wohn- und Wirtschaftsstandort getätigt. Das Resultat sind zahlreiche Bauprojekte, vom Richti Areal über den Integra Square bis hin zu den Um- und Erweiterungsbauten der Sportanlagen Wallisellen oder dem Gemeindehaus.

Gehen Unternehmerinnen anders mit Krisensituationen um als Unternehmer?
Ich denke nicht. Jeder geht anders mit Krisen um, unabhängig vom Geschlecht. Entscheidende Faktoren, Krisensituationen zu meistern, sind meines Erachtens Erfahrung, Resilienz und – daraus resultierend – Ruhe und Gelassenheit. Ich kenne sehr viele Unternehmerinnen, aber auch viele Unternehmer, die sich in den letzten drei Jahren nicht haben aus der Ruhe bringen lassen. Und nur wenige, welche die Krise wirklich gestresst und mitgenommen hat.

Krise heisst auch, mit Empathie zu führen. Das können Frauen sicher besser….
Repräsentative Umfragen bei Mitarbeitenden zeigen, dass Frauen Männer bei wichtigen Führungskompetenzen übertrumpfen. Kompetenzen, die gerade in Krisen wichtig sind, wie Mitgefühl und Empathie. Weibliche Führungskräfte verfügen über ein grösseres Bewusstsein für die Ängste und das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden und gehen daher auch gezielter auf ihre Bedürfnisse ein. Und doch ist Empathie ein Charakterzug, den nicht nur Frauen haben. Aber sie zeigen ihn vielleicht öfter und leichter als Männer.

Führen Frauen besser als Männer?
Was exzellente Führungskräfte von durchschnittlichen unterscheidet, sind Eigenschaften wie Resilienz, Innovationskraft, Motivationsfähigkeit und Inspirationsgabe. Frauen scheinen diese Eigenschaften tatsächlich besonders oft aufzuweisen :- )

Wie geht eine Führungskraft mit dem neuen Arbeiten post Covid um?
Führungskräfte müssen ihren Führungsstil tatsächlich ändern, denke ich. Wir arbeiten mehr und mehr hybrid, die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeit verschwimmen und der persönliche Austausch wird erschwert. Entsprechend herausfordernd wird es sein, die Leistungsfähigkeit und die Motivation der Mitarbeitenden zu erhalten und ihnen zu helfen, die neuen Herausforderungen in einer neuen Arbeitswelt zu managen. Auch hier gilt: Empathie hilft.

Männer halten mehr zusammen als Frauen, sagt ein Klischee. Ist das so? Merkt Frau das in Krisenzeiten?
Tatsächlich beurteilen Männer Situationen oft nüchterner und pragmatischer als Frauen. So werden sie auch untereinander weniger emotional – und haben weniger Reibungen, was dem Zusammenhalt förderlich sein kann.

Hat Sie persönlich die Krise verändert? Ja, sehr. Ich wurde in der Krise mit einer schweren Krankheit konfrontiert, die mich viel reflektieren und meine Sinne schärfen liess. Ich habe mich von allem getrennt, was für meine Entwicklung und mein Wohlbefinden nicht relevant ist. Und gemerkt, dass ich niemandem etwas beweisen muss. Erst Grenzerfahrungen zeigen, wer wir wirklich sind und worum es im Leben eigentlich geht.

Was zeichnet eine gute Unternehmerin in Krisenzeiten aus?
Geduld, Weitsicht, Ruhe, Pragmatismus – Entscheidungen treffen ohne grosse emotionale Bindung. Als Unternehmerin soll man einen kühlen Kopf bewahren und nicht im Affekt handeln. Geduld zahlt sich aus. Das ist auf dem Börsenmarkt nicht anders: Buy and hold. Und wem man unsicher ist: Support holen. Weg von Schamgefühlen, weg von Verlustängsten. Nobody is perfect – und das ist ok.

Bieten Krisenzeiten auch Chancen? Immer. In einer Krise erkennt man wahre Stärke, Freundschaft, Treue und Loyalität. Ob in einer Partnerschaft, einer Freundschaft oder einer Job-Beziehung. «Was mich nicht umbringt, macht mich stärker», hat der berühmte deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche gesagt. Krisen gehören zu einem gelingenden Leben dazu. Sie bringen einem weiter, indem sie einem herausfordern. Heisst: Nur wer die Komfortzone verlässt, findet seinen Weg. Nur wer sich neu erfindet, bleibt sich treu. Das wahre Glück besteht in der Selbstüberwindung.

Was kann der Staat für Unternehmerinnen und Unternehmer in Krisenzeiten tun? Was eine Partei wie die Ihre, die FDP?
Covid 19 hat gezeigt, wie wichtig ein gut funktionierender, gesunder Staat ist. Doch wer einen Staat will, der in der Krise machtvoll agiert, darf denselben Staat in politisch ruhigeren Zeiten nicht ausweiden. Dafür steht die FDP. Was jetzt getan werden kann? Weniger Vorschriften und Regulierung, Entlastung bei Steuern und Abgaben – so käme die Wirtschaft schnell wieder in Schwung. Die Unternehmen hätten «genug Luft», um zu investieren, unternehmerische Risiken einzugehen, zu produzieren und Arbeitsplätze zu schaffen.

Wieso soll eine Frau in diesen herausfordernden Zeiten noch Unternehmerin werden?
Noch sind Unternehmerinnen unterrepräsentiert. Doch gerade der Job der Unternehmerin ermöglicht Flexibilität in einer Vielzahl von Lebenssituationen – von der Nebentätigkeit oder sporadisch ausgeübten Selbstständigkeit bis hin zum Status einer Firmenchefin mit einem Team von Angestellten. Frauen und Männer sind heute gleichermassen qualifiziert. Dies hilft den Frauen, ihren Platz in der Unternehmenswelt zu finden. Auch weil immer mehr Männer sich in der Familie gleichberechtig engagieren. Also: Hurry up.

Frau Statovci, besten Dank für dieses Gespräch.

 

Die Interviews führte der Journalist und Kommunikationsberater Michel J. Pernet.